Mit Achtsamkeit zum Millionär!
Achtung: Dieser Artikel enthält satirische Bestandteile.
Mit Meditation zum Millionär? Per App zur Erleuchtung? Und dadurch dann den Umsatz, die Quote oder sonstwas steigern? Nee, ey. Und gleich vorweg: Dieser Beitrag enthält haufenweise polemische Anteile, persönliche Kritik und Besserwisserei.
Soll man nicht, tue ich trotzdem
Yes, I do judge a book by its cover.
Heute Morgen bin ich zufällig (?) auf dieses Buch gestoßen: „Der spirituelle CEO: Wie du aus deiner inneren Essenz und energetischem Marketing ein 6-stelliges Business aufbaust“.
Und ich hätte kotzen können.
Das geht in dieselbe fiese Richtung wie „Power-Achtsamkeit in nur fünf Minuten!“ oder „Mit Meditation zu mehr Effizienz im Job“ oder auch so etwas Seltsames wie das Programm „Search Inside Yourself“ – genau: von Google. (Kein Scherz)
Wenn der Zweck die Mittel (schein-) heiligt
Wer Achtsamkeit, Meditation, Zen & Co. als „Mittel zum Zweck“ einsetzen will, um damit richtig reich, extrem effizient oder wirklich wichtig zu werden, vielleicht nicht mal für sich selbst, sondern als „Optimierungsmaßnahme“ für die Angestellten, hat diese Dinge schlichtweg nicht verstanden.
Okay, zurückgerudert: Vielleicht doch, so ein Bisschen. Allerdings maximal mit dem Kopf.
Maximal mit dem Teil des Verstands, der ihren „Nutzen“ ansatzweise zu verstehen glaubt. Derjenige Teil, der total erfreut, very amused und vermutlich mit Dollarzeichen in den Augen reagiert:
„Wow, dadurch kann ich meine Mitarbeiter zu mehr Leistung pushen!“ oder:
„Wenn ich diese Technik verwende, wird mein Team viel effektiver sein!“ vielleicht auch:
„Cool, damit kann ich ...“ (Hier können beliebige betriebswirtschaftliche Begriffe, knackige Key Performance Indicators oder ähnliche Kennzahlen & Quoten eingesetzt werden – oder eben auch nicht.)
Natürlich „darf” als erfreulicher wie möglicher Nebeneffekt eine Form der „Verbesserung” herauskommen, wenn man meditiert, Zazen sitzt, sich mit Mindfulness-based Stress Reduction (MBSR) und damit vor allem mit sich selbst auseinandersetzt, sein Ki trainiert, Yoga praktiziert und so fort. Natürlich „dürfen” sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohler fühlen und dann vielleicht à la Kaizen zu mehr Effizienz in den Geschäftsprozessen beitragen. Es darf und kann durchaus mehr Harmonie entstehen, wodurch sich wiederum Teamgefühl, Teambuilding ... Genau, Sie verstehen schon. Wenn jedoch der Erwerb von Reichtum, die Steigerung unternehmerischer Kennzahlen und ähnliche Aspekte ganz direkt, vorrangig und alleinig als ENDeffekt auf dem Plan stehen – sorry, durchgefallen. Nix verstanden.
Wie lauten die Kennzahlen für Liebe und Mitgefühl?
Mehr Liebe für mehr Erfolg? Mitgefühl als Managementmethode zur Verbesserung der Kennziffern? Ursache und Wirkung, Mittel und Zweck werden leider vielerorts (vollends) verwechselt. Und das gilt ganz besonders für all diese Dinge, die gestern noch als „esoterischer Unfug” in Verruf standen – und heute plötzlich als „wirkungsvolle Tools” betrachtet und begehrt werden.
Verwegene Ziele?
Weg und Ziel? Da war doch was! Gab es dazu nicht diesen buddhistisch-angehauchten Kalenderspruch? In diesem Fall, wenn Umsatzsteigerung & Co. im Vordergrund stehen, heißt es jedoch: Das Ziel ist schlicht im Weg. Aber sowas von.
Nix kapiert. Gerne alternativ auch njet, nada, nothing. (Auf Sanskrit heißt es: nüscht).
Gut gemeint kann auch echt daneben sein.
Wenn diese Geschichte mit dem Weg und dem Ziel so überhaupt nicht verstanden wird, wenn Mitgefühl & Co. als profitsteigernde Werkzeuge (miss-) verstanden werden: Dann ist mit einem möglicherweise minimal mitfühlend gemeinten, allerdings massiv monetär geprägten Motiv die Grenze zwischen Motivation und Manipulation millimeterdünn, mindestens angekratzt oder meist massiv überschritten.
Positive Nebeneffekte sind selbstverständlich erlaubt
... damit kein falscher Eindruck entsteht: Wenn sich Menschen mit Meditation, Mindfulness, Yoga, Zen etc. beschäftigen – und dann dadurch auch noch „zufällig und beiläufig“ mitfühlendere Manager:innen, achtsamere Angestellte, entspanntere Eltern, freundlichere Freundinnen & Freunde, bewusstere Briefträger, lächelndere Lehrer, gelassenere Gärtner, respektvollere Regisseure, fröhlichere Feuerwehrleute, einfühlsamere Elektriker, insgesamt also zufriedene, in sich ruhende, ausgeglichene Artgenossen (alles jeweils w/m/d) werden: SUPER! Falls es meine Rolle ist, hier eine schriftliche Absolution zu erteilen: Jawoll. Das darf (natürlich und selbstverständlich) so sein.
Ich habe ÜBERHAUPT NIX gegen einen spirituellen CEO. Ganz im Gegenteil, her damit! Doch wenn „innere Essenz“ (was auch immer das sein mag) mit „energetischem Marketing“ (vor dem ich ein bisschen Angst bekommen habe) und unglaublicher Umsatzsteigerung verknotet wird – dann sträubt sich in mir einfach ALLES.
Irgendwie darf ja alles so sein, wie’s ist. (Was wiederum noch lange nicht heißt, dass ich dieses Alles mögen und es so bleiben muss.) Und – herrje! – falls etwas in diesem Text rüde, radikal und womöglich nicht 117%ig liebevoll geklungen haben sollte: Passt schon. Ich habe eine Berufshaftpflichtversicherung, freue mich auf Feedback, werde mit gleichermaßen polemischer Kritik leben können. Aber den oben genannten Buchtitel finde ich trotzdem einfach schrecklich, scheußlich, schlimm.